"Zum Glück geht´s bergwärts" von Uli Auffermann


Das im Tyrolia-Verlag Innsbruck erschienene Buch "Zum Glück geht´s bergwärts" ist eine Hommage an die im Februar 2005 im Alter von 98 Jahren verstorbene Bergsteigerlegende.

Der Autor, Freund und Biograph von Anderl Heckmair, Uli Auffermann, hat im ersten Teil die Geschichten von Anderls früherem Büchlein "Wahre G'schichterl" überarbeitet und im zweiten Teil weitere spannende Anekdoten, teils auch sehr privater Art, aus den Begegnungen und Erzählungen von Anderl Heckmair zusammengetragen.

"Wahre G'schichterl" hieß Anderl Heckmairs 1988 erschienenes Büchlein, das den Preis für herausragende Bergliteratur im Rahmen des Bergfilmfestivals von Trient erhielt.

Anderl HeckmairZur Person: Wer war Anderl Heckmair?

Anderl Heckmair gelangte im Juli 1938 zu Weltruhm, als ihm die Erstdurchsteigung der Eiger-Nordwand im Berner Oberland - gemeinsam mit Ludwig Vörg, Fritz Kasparek und Heinrich Harrer - gelang.

Es gab natürlich auch ein Leben vor und nach diesem geschichtsträchtigen Ereignis.

Heckmair wurde 1906 geboren und wuchs in einem Münchner Waisenhaus auf. Als er im Alter von elf Jahren zu einem Erholungsaufenthalt in die Schweiz geschickt wurde, entflammte sein Herz für die Berge. Mit einer Gruppe von kühnen Kletterern machte er sich bereits an vielen extremen Wänden in Österreich, Italien und Frankreich einen Namen, bevor er 1938 in die Schweiz aufbrach, um die Durchsteigung der berühmt-berüchtigten Eiger-Nordwand in Angriff zu nehmen.

Auch die weitere Erschließung der Allgäuer Alpen durch Ihn fand weitgehend unter Ausschluß der breiten Öffentlichkeit statt. So wurde die Schneck-Ostwand erst bekannt, als Anderl Heckmair, dem 1947 die Viertbegehung gelungen war, 1949 im „Bergsteiger" einen Aufsatz veröffentlichte, in dem er den Anstieg mit der berühmten Nordwand der Großen Zinne verglich.

Ob im privaten Kreis oder in großen Vortragssälen, immer zog Heckmair, der als einer der bedeutendsten Alpinisten des 20. Jahrhunderts gilt, mit den Geschichten aus seinem bewegten Leben die Zuhörer in seinen Bann.

Anderl war Zeit seines Lebens immer den Allgäuer Alpen verbunden. Der geborene Münchner war bereits 1938 ins Allgäu gezogen und dort nach dem Krieg als Bergführer tätig. Mit seiner Frau Trudl lebte er bis zuletzt in Oberstdorf. Bis vor wenigen Jahren noch hatte Heckmair Oberstdorfer Kurgäste auf botanischen Wanderungen durch die Allgäuer Alpen geführt und zahlreiche Urlauber z. B. am Söllereck einen Einblick in die Geologie und Botanik der Allgäuer Bergwelt verschafft. Um genau zu sein, führte er 30 Jahre lang Exkursionen im Auftrag der Oberstdorfer Kur AG durch.

Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Pflegeheim starb Heckmair im Oberstdorfer Krankenhaus am 01.02.2005.

Anderl HeckmairDer Autor, Freund und Biograph von Anderl Heckmair, Uli Auffermann, hat im ersten Teil die Geschichten von Anderls früherem Büchlein "Wahre G'schichterl" überarbeitet und im zweiten Teil weitere spannende Anekdoten, teils auch sehr privater Art, aus den Begegnungen und Erzählungen von Anderl Heckmair zusammengetragen.

Im Anhang des vorliegenden Buches finden sich neben Kurzportäts einiger seiner Berg-Weggefährten auch mehrere faszinierende Foto-Seiten aus dem Archiv Heckmair/Auffermann mit Aufnahmen verschiedenster Lebenstationen von Anderl Heckmair.

Das Grußwort stammt von Peter Geyer (1. Vorsitzender im Verband Deutscher Berg- u. Skiführer) und das Vorwort wurde sehr einfühlsam von Harry Valérien geschrieben.

Im ersten großen Abschnitt zeichnet Anderl Heckmair in chronologischer Reihenfolge in seinen "Wahren G'schichterl" seinen Lebensweg ab dem achten Lebensjahr bis in die späten 80ziger Jahre. Eine entbehrungsreiche Kindheit und Jugend schärfte schnell seinen Blick für das Wesentliche. Für uns heutige Wohlständler kaum mehr vorstellbar, dass man sich ohne Alternative im Waisenhaus bei einer Schale Milch und einem Stück Kartoffelbrot wiederfindet, zu einer Zeit als die Schule einfach wegen Kohlemangel ausfiel.

Freizeit gab es nur in ganz wenigen Stunden. Mit einem Schmunzeln erzählt Anderl aus seinen Erinnerungen. Der Ernst des Lebens verpasste ihm eine Ausbildung als Gärtner, ganz in der Familientradition. Schließlich erzählt Anderl in spannenden Begebenheiten, wie er zum Bergglück kam und die Begeisterung fürs Klettern in ihm aufflammte. Als Mitglied des Privatclubs für Extrembergsteiger "Hoch empor", dem z.B. auch Franz Fischer oder Hans Brehm angehörten, war er oft auf Hütten im Reintal und am Spitzing - gerade während seiner Arbeitslosigkeit.

Man traut seinen Augen nicht, wenn man von Ausfahrten in die Dolomiten liest, die bei vollem Gepäck damals noch mit dem Fahrrad unternommen wurden. Zu dieser Zeit mussten z.B. die Civetta-Nordwestwand oder die Sass Maor-Ostwand dran glauben. Mit dem Fahrrad ging es 1932 durch halb Europa sogar ins Atlasgebirge nach Marokko - gefolgt von jeder Menge weiterer unglaublicher Geschichten als Skilehrer, Ausbilder an der Heereshochgebirgsschule Fulpmes, Filmstar, Bergführer, Vortragsreisender, Expeditionsteilnehmer im Himalaja oder privater Bergführer von Otto-Ernst Flick.

Anderl HeckmairMan wird beim Lesen immer wieder ins Staunen versetzt, mit welcher Unbefangenheit Anderl und seine Bergkameraden damals unterwegs waren und sich allen Widrigkeiten widersetzten. Immer ein Ziel vor Augen: "Immer was erleben, nicht bloß dasitzen und abwarten." Das Motiv seines Antriebes beschreibt Uli Auffermann mit den Worten, dass Anderl ein grundsätzliches Schneller, Besser, Höher und Weiter nicht akzepierte. Nicht der Vergleich mit anderen Bergsteigern und damit eine fremdbezogene Leistung vollbringen, sondern der eigene Antrieb aus purer Neugier, Spontanität und seiner ausgeprägten "inneren Stimme", waren die Basis für seine unzähligen Glücksmomente. Dabei machte es Anderl immer froh, wenn er anderen etwas vermitteln oder von seiner Energie abgeben konnte. Nie steht in seinen Geschichten die bergsteigerische Leistung oder der Ruhm im Vordergrund; sein fortwährender Schalk, seine Gerissenheit und seine Begweisterungsfähigkeit verschaffen den Dingen Leichtigkeit und rücken diese an den Rand des Geschehens.

Da wurde schon mal während einer Grabrede für einen abgestürzten Bergfreund die Tour für den nächsten Sonntag ausgemacht. Schmunzeln musste ich auch bei dem Satz von Anderl: "Jeder Mensch macht mal eine Dummheit; der Dumme immer die gleiche und der Intelligente immer eine andere!"

Kurzum eine spannende Sammlung persönlicher Erinnerungen und witziger Anekdoten eines herrausragenden Bergsteigers der damaligen Zeit.

Im zweiten Abschnitt nimmt Uli Auffermann verschiedene Episoden aus dem Leben von Anderl auf und zeichnet so ein umfassendes Bild eines wunderbaren Menschen, der alles konnte, nur nicht still sitzen. Die Geschichten wurden ihm persönlich von Anderl vermittelt oder gemeinsam erlebt. Uli Auffermann geht hierbei auch auf die stützende Person an Anderls Seite, Trudl Heckmair, ein. Man kann beim Lesen förmlich die Glücksmomente und Gefühle nachempfinden und fast schon stimmt es einen traurig, wenn man daran denkt, dass Anderl Heckmair nicht mehr unter uns weilt.

Fazit:
Wie Eingangs schon geschrieben, ist das Buch eine wirkliche Hommage an Anderl Heckmair, welche das Leben dieses Ausnahme-Bergsteigers von einer ganz anderen Seite beleuchtet - nämlich von der Seite, wie sich Anderl Heckmair am liebsten selber gesehen haben dürfte.

Mit folgendem Ausspruch möchte ich die Buchbesprechung abschließen:
"Man muss im Leben immer steil bergwärts gehen, das hält einfach jung und macht glücklich" war ein Ausspruch von Anderl Heckmair zu Uli Auffermann bei einem der letzten gemeinsamen Ausflüge.

Zum Autor:
Uli Auffermann, geboren 1960 im Ruhrgebiet, schreibt als freier Autor mit Vorliebe über alpine Themen, über das Bergsteigen und seine Protagonisten. Der begeisterte Bergsportler verfasste auch die Heckmair-Biografie „Was zählt ist das Ereignis“.

Werke von, mit und über Anderl Heckmair:
Anderl Heckmair: Was zählt ist das Erlebnis von Uli Auffermann (2002) Anderl Heckmair: Eiger-Nordwand, Grandes Jorasses und andere Abenteuer Anderl Heckmair (1991) Wahre Gschichterl (1988) bzw 2005 überarbeitet als Zum Glück geht´s bergwärts Anderl Heckmair (1988/2005) Rund ums Nebelhorn. Die Bergwelt zwischen Oberstdorf und Hinterstein Franz Hieble, Anderl Heckmair (1987)

Links:
Anderl Heckmair: www.anderlheckmair.de
Uli Auffermann: www.uliauffermann.de
Tyrolia-Verlag Innsbruck (Verlags-Programm Berge): www.tyrolia-verlag.at

Archiv Heckmair 4
Archiv Heckmair 3
Archiv Heckmair 5

Buchbesprechung vom 19.07.2010 © wanderpfa.de

Bilder, Texte, Briefe, Ausrüstungsgegenstände und andere Andenken zu Anderl Heckmair werden von Uli Auffermann im Archiv Heckmair-Auffermann verwaltet und geführt. Die in diesem Beitrag vorgestellten Bilder wurden uns freundlicherweise zur Veröffentlichung überlassen (06/2010).

Vielen Dank an Uli Auffermann.